Getroffen! Getroffen?

getroffenes WIld

Getroffen? Der Schuss ist draußen, das Wild ist weg und der Schütze inmitten eines Wechselbades der Gefühle. Doch es gibt eindeutige Hinweise für Erfolg und Misserfolg, wie Wolfram Osgyan aus jahrzehntelanger  Praxis weiß.

Durch die 24-fache Vergrößerung des Victory 6 – 24 x 72 angesprochen, entpuppte sich das einzelne Stück Rehwild auf der kurzgemähten Wiese als Kitz. Im Vergleich zu der später anwechselnden Geiß sogar als schwaches. Es sollte zu kriegen sein, obwohl die Entfernung jenseits der 150 Meter siedelte. Sorgfältig stabilisierte ich die Büchse, ruhig stand das mikrofeine Fadenkreuz hinter dem Blatt, und mit Bedacht zog ich den Abzug. Der Schuss peitschte, und das Kitz war aus dem Zielbild verschwunden. So sehr hohe Vergrößerungen das punktgenaue Abkommen erleichtern, so nachteilig wirkt sich im Schuss das kleine Zielbild aus. Die geringste Bewegung des Laufes aufgrund von Mündungshochschlag lässt das Objekt verschwinden – auch beim Scheibenschießen! Aber da war noch etwas. „Schtt“ hörte ich unmittelbar nach dem Mündungsknall und sah die Geiß sowie das Kitz in rasender Flucht schräg auf mich zu in den deckenden Waldrand eintauchen. In der Gewissheit, im Waldessaum das Kitz aufsammeln zu können, holte ich mein Auto und steuerte zu der markanten Stelle, an der sich die beiden meiner Blicke entzogen hatten. Vor Ort machte der Waldrand eine kleine Einbuchtung, die ich von meiner Leiter nicht einsehen konnte. Auf einer Länge von 20 Metern gab es demnach mehrere Möglichkeiten des Einwechsels. Auf dem kurzen Gras ließ sich kein Schweiß finden, daher versuchte ich mein Glück bei den längeren Halmen am Waldrand – wiederum ohne Erfolg. Noch war ich mir meiner Kugel sicher und legte dem Teckel nahe dem Anschuss die Schweißhalsung an, ließ ihn kurz am langen Riemen hin- und hersuchen und folgte ihm alsbald in das nächste Loch, das Schwarzdorn und Sträucher als Wechsel freigaben. Der Hund legte sich stramm in den Riemen, doch nach einigen Metern beschlich mich das Gefühl, dass er einer anderen Fährte folgte. Schließlich hatte ich nicht ein einziges Pürschzeichen entdeckt. Ich holte den Kurzhaarigen bei Fuß, veranlasste ihn zu einer Richtungsänderung und suchte im Bestand parallel zum Waldrand in Richtung Hochsitz. Bald mit der Gewissheit, dass diesmal die Kugel ihr Ziel nicht gefunden hatte. Und das von mir als Kugelschlag gedeutete Geräusch? Es war
vernehmbar, aber an der Hörgrenze.
Erneut zog der Hund an und einige Meter vor ihm entdeckte ich im Altholz das Kitz. Perfekter konnte die Kugel eigentlich nicht sitzen. Nach der roten Arbeit buchstabierte ich die Schweißfährte rückwärts, denn mein Begleiter zeigte verständlicherweise mehr Interesse an der Beute als für den Weg zu ihr. Leider fanden sich im Licht der Taschenlampe nur wenige Schweißspritzer, sodass ich meine Neugier anderntags zu befriedigen trachtete. Bis zum Einwechsel ließ sich jetzt die Wundfährte halten, doch auf der Wiese suchte ich die Stecknadel im Heuhaufen. Alles in allem war die Fluchtstrecke nicht lang. Kaum mehr als 25 Meter. Und doch hatte sie mir mehr Kopfzerbrechen als hundert andere zuvor bereitet. Es kommt eben auch auf das Gelände, respektive den Bewuchs an.
Wild reagiert immer auf den Erhalt der Kugel, wenngleich unterschiedlich. Sind die Augen des Schützen in der Millisekunde der Schussabgabe noch auf dem Objekt, die Lichtverhältnisse akzeptabel
und das Sehfeld des Zielfernrohres groß genug, lassen sich Bewegungen des Wildkörpers, das Zeichnen, im Schuss erkennen. Mal zuckt oder ruckt das getroffene Stück nur kurz, um dann zu flüchten, mal
steilt es mit den Vorderläufen auf beziehungs weise keilt mit den Hinterläufen aus oder hebt mit allen Vieren ab. Bis zu einem gewissen Grad lassen sich daraus Rückschlüsse ziehen. Unsere Altvorderen
fassten sie sogar zu Lehrmeinungen zusammen, die heute noch als gültig gelten. So lesen wir in Raesfelds „Das Rehwild“: „Viele Schützen können das Zeichnen nicht beobachten; sie sehen eben nicht, wie der ruhige Schütze es tun soll, kaltblütig durch das Feuer, sondern sie mucken, kneifen im Augenblick des Schusses die Augen zu. … Diesen Schützen entgeht dann das Zurückklappen der Lauscher, das jeden Treffer eines schnellfliegenden Geschosses begleitet. Ihnen entgehen auch viele andere Zeichen, die infolge unserer modernen Büchsen mit ihren starken Ladungen und kleinkalibrigen Geschossen wohl manche Abwandlung erfahren, im Großen und Ganzen aber ihre alte Bedeutung beibehalten haben.“ Was die Lauscherbewegung im Schuss angeht, muss ich mich trotz 47 ausgefüllter Jagdjahre und einer Schalenwildstrecke im vierstelligen Bereich in die Schar der Angesprochenen einreihen. Nicht einmal ist mir dieses Phänomen aufgefallen, zumal sich das Auge auf den Zielpunkt konzentriert und weniger
die Extremitäten des Wildkörpers im Blick hat. Letztlich erfasst man doch nur dessen Gesamtbewegung.
Das Auftreffen der Kugel wiederum konnte ich nur ein einziges Mal beim Abschuss von Gehegewild beobachten, als ich bereits auf dem Ziel war, der Schuss eine Millisekunde zu früh brach und ich durch die 12-fache Vergrößerung sah, wie sich die Haare am Einschuss trichterförmig weiteten. Die berühmte rote Dampfwolke hinter der Ausschussseite hingegen registrierte ich in all den Jahren wohl ein Dutzend
Mal, damit auch nicht gerade häufig. Fraglos zeichnet vertraut beschossenes Wild am intensivsten. Doch erlebte ich bei den von mir vorrangig angestrebten Kammertreffern recht unterschiedliches Zeichnen, das möglicherweise auch von der Schussentfernung und der damit verbundenen Auftreffgeschwindigkeit des Geschosses sowie seiner Wucht abhängt. Einen generellen Unterschied zwischen kleinkalibrigen, sehr schnellen Geschossen wie der .22-250 oder einer langsameren, schweren Kugel konnte ich jedoch nicht feststellen. In der Regel heben die Stücke im Schuss ab. Zumeist mit den Vorderläufen, um dann sofort in rasende Flucht überzugehen. Hohe, steile Fluchtsprünge wiederum konnte ich nur in wenigen Ausnahmefällen beobachten. Doch erlebte ich, wenngleich seltener, Bocksprünge mit allen Vieren gefolgt von rascher Flucht, Vorderhandüberschlag ohne Flucht und Salto rückwärts mit gleichem Ergebnis. Die vergleichsweise seltenen Fälle von ruckartigen Fluchtsprüngen mit eigentümlich steif gehaltenem Lauf fußten immer auf einem einseitigen Treffer der Blattschaufel.
Krummer Rücken im Schuss, mit und ohne Flucht, signalisiert den Pansentreffer. So getroffenes Wild flüchtet schwer fällig und nicht mit Höchstgeschwindigkeit, verhofft gelegentlich und bietet die Chance
für eine zweite Kugel. Diese sollte dann auch unbedingt genützt werden. Krummer Rücken mit Ausschlagen der Hinterläufe weist auf einen Waidwund treffer hin. Vorsicht jedoch bei blitzartigem Zusammenbrechen im Schuss. Nachladen und Draufbleiben heißt hier die Devise. Fangen die Stücke nach einer kurzen Phase der Ruhe heftig zu schlegeln an, zieht sich der Wildkörper ruckartig zusammen, um wieder auseinanderzuschnellen, heben sich Haupt und Träger, dann haben wir es mit höchster Wahrscheinlichkeit mit einem Krellschuss zu tun. Hier mit der schnellen zweiten, hoffentlich tödlichen
Kugel zu zögern, wäre fatal. Taumelt das Stück wieder auf die Läufe, wird es im Nu schnell und entschwindet meist auf Nimmerwiedersehen. Dass das Abschnellen mit allen Vieren im Schuss nicht automatisch den Treffer indiziert, musste ich einmal bei einem Gamsbock erleben. Wie die Inspektion des Anschusses ergab, war er glatt unterschossen. Ein anderes Mal duckte sich ein Stück Scharwild im Schuss weg, weil die Kugel knapp drüberpfiff. In beiden Fällen lieferte jedoch das Verhalten unmittelbar nach dem Schuss wertvolle Fingerzeige. Vom Pansentreffer einmal abgesehen, ergreift getroffenes Wild in aller Regel sofort mit hoher Geschwindigkeit die Flucht, in Gesellschaft noch vor den Artgenossen, während es sich bei Fehlschüssen oft genug umgekehrt verhält. Aufwerfen nach dem Schuss wiederum, verhaltene Fluchtsprünge mit Verhoffen oder Wegtrollen nach der Schussabgabe lassen ebenfalls auf gesundes Wild schließen. Bleibt hingegen ein beschossenes Stück auf der Flucht hinter
seinen Artgenossen deutlich zurück oder sondert sich gar ab, dann hat es mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kugel. Schwarzwild signalisiert das häufig durch hängenden Pürzel. Cerviden wiederum
reagieren durch gespreizten Spiegel beziehungsweise abstehenden Wedel. Auch bei Boviden wie Stein- oder Gamswild sind zittrige Wedelbewegungen nach Erhalt der Kugel zu erkennen.
Der Hirsch, den eine Jungjägerin mit einbrechender Dämmerung auf einer Schneise beschoss, war mit einem Satz in der Dickung. Am Einwechsel fanden sich weder Schweiß noch Schnitthaar. Doch der angesetzte Vorstehhund legte sich schnell in den Riemen und zog seinen Führer zielstrebig zu Tal. Brunftgeruch hing überall, sodass der Hundeführer nach circa 100 Metern die Nachsuche abbrach und sicherheitshalber einen Schweißhundführer für den nächsten Morgen verständigte. Auf dem Heimweg ließ ich mir von der Schützin noch einmal den ganzen „Film“ erzählen. Als sie im Begriff war, den Abzug durchzuziehen, setzte sich der Hirsch in Bewegung, machte im Schuss einen hohen Satz und tauchte in den Bestand ein. Meine Frage, ob der Geweihte vor dem Verschwinden die Vorderläufe noch einmal aufgesetzt hat, wurde verneint. „Dann hat er die Kugel“, war mein Resümee. Quälende Stunden später erfolgte der erlösende Anruf: „ Hirsch liegt mit gutem Kammerschuss, Hund war auf der Wundfährte, wurde leider 20 Meter zu früh abgetragen“. Bereits getroffenes Wild zeichnet auf Folgeschüsse weitaus weniger bis gar nicht, beunruhigtes bei Weitem nicht so auffällig wie vertrautes. Liegt bei Bewegungsjagden das beschossene Stück nicht in Sichtweite, bedeutet das oft stundenlange Ungewissheit. Schließlich wird zu Recht das Verlassen des Standes untersagt, wie auch in vielen Fällen
das Produzieren von mehr als zwei Anschüssen. Wohl dem, der bei der Schussabgabe den Kugelschlag vernimmt und die richtigen Schlüsse daraus ziehen kann. Trifft nämlich die Kugel auf ein Objekt, so erzeugt der Aufschlag immer ein mehr oder minder starkes Geräusch. Dessen Klangfarbe hängt wesentlich von der Konsistenz des Zielmediums ab. Stark wasserhaltige, zudem voluminöse Körper
erzeugen einen dumpfen, weit tragenden Klang, bei Holz und Knochen klingt der Ton hart und hell. Treffer bei Wild ziehen also immer einen Kugelschlag nach sich.

Je mehr Zeit zwischen Mündungsknall und dem Widerhall der auftreffenden Kugel verstreicht, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit, ihn zu hören. Weil bei zunehmender Dämmerung das Augenwesen „Mensch“ immer weniger erkennt, stützt sich das Gehirn vorrangig auf andere Sinne. Mit einem Mal nehmen wir vorhandene Geräusche viel intensiver wahr. Auch den Kugelschlag. Ab einem bestimmten
Dämmerungsgrad liefert er allein Informationen über Treffer oder Fehlschuss. Das Problem freilich besteht darin, dass ihn viele Jäger nicht hören, weil ihr Gehirn nicht gelernt hat, ihn aus anderen Geräuschen herauszufiltern beziehungsweise sich darauf zu konzentrieren. Ich hatte schon eine gute dreistellige Zahl an Schalenwild erlegt, bevor bei einem Pansenschuss der Groschen fiel. Seither vernehme ich bewusst die „Klangkörper“ und ihre Töne. Dumpf und deutlich bei Leber- Pansen-Treffern, leiser und hell bei Knochentreffern und eher klatschend bei solchen im Kammerbereich. Wer allerdings mit Gehörschutz schießt, unterdrückt selbstredend diese Informationsquelle. Die Schussabgabe aus geschlossenen Kanzeln wirkt diesbezüglich ebenfalls kontraproduktiv, weil deren Wände
den Schall zurückwerfen und die Ohren mehr vertauben als das bei offenen Leitern der Fall ist. Weil aber auch Baumstämme, nasses Erdreich, Apfeltresterhaufen, Rüben und gepresste Strohballen als Resonanzkörper fungieren, kann es im Einzelfall auch zu Fehlinterpretationen kommen. Bei annähernder Windstille lässt sich übrigens der Kugelschlag recht verlässlich ab circa 80 Meter Entfernung und
mehr vernehmen, auf die halbe Distanz dagegen nur ausnahmsweise.

Dieser Artikel wurde uns freundlicherweise von der WILD UND HUND zur Verfügung gestellt

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